“Lauflern-Knigge” für Eltern

“Lauflern-Knigge” für Eltern

Der Moment der ersten Schritte unserer Kinder ist immer wieder magisch. Ihnen eröffnet sich eine ganz neue Welt, die es zu entdecken gilt. Sie bekommen im wortwörtlichen Sinne eine andere Sicht auf die Dinge. Schlagartig haben sie, was die Wahrnehmung und Bewegung angeht, ganz neue Möglichkeiten. Nicht umsonst wird dies als einer der großen Meilensteine der kindlichen Entwicklung bezeichnet. Wichtig dabei ist, dass dein Kind diesen Moment des Laufenlernens ganz allein bestimmt! Jedes Kind hat einen eignen (!) inneren Masterplan, nach dem alles abläuft. Es gibt Laufanfänger, die sind gerade mal 10 Monate alt. Das ist recht früh. Andere brauchen etwas länger, weil sie stattdessen mit anderen Dingen beschäftigt sind – wie zum Beispiel mit dem Sprechenlernen – oder sie sind einfach etwas gemütlicher. Der Durchschnitt liegt bei ca. 14-15 Monaten. Alles zwischen 12-18 Monaten liegt noch im Normbereich. Aber wenn du hier unsicher bist, dann sprich mit deinem Kinderarzt, Physiotherapeut oder Osteopathen.

Grundsätzlich können Kinder nicht plötzlich laufen, man kann es Ihnen auch nicht einfach ‚beibringen’. Vielmehr ist es ein langer, sehr individueller Prozess, der quasi schon mit dem ersten selbständigen Kopfheben in Bauchlage seinen Anfang nimmt. Du kannst dein Kind sicherlich sinnvoll bei diesem Prozess des Laufenlernens unterstützen. Aber es gibt anderes, das lässt du lieber sein.

Hier meine Tipps:

1. Das Langhangeln an Gegenständen (Sofa, Stühle, Kommoden, usw), auch Cruising genannt, ist die Vorstufe des freien Gehens. Gib deinem Kind also ein paar Möglichkeiten sich selbständig an ungefährlichen, kippsicheren Gegenständen hoch zu ziehen und lang zu hangeln. Lass es daran im Seitschritt die ersten wichtigen Erfahrungen machen. Irgendwann löst es von selbst die Hände und macht allein die ersten Schritte.

2. Achte auf maximale Bewegungsfreiheit bei den Klamotten. Vor allem die Hosen sollten nicht zu eng sein, denn dann kann dein Kind nicht jeden Grad Bewegung nutzen.

3. Barfuß, Stoppersocken oder Lederpuschen, damit die Füße Halt finden und nicht ständig wegrutschen – besonders wichtig bei glatten Böden wie Laminat, Parkett o.Ä.

WICHTIG: Führe Dein Kind NIEMALS an den Händen!

Bleib geduldig und lass Dein Kind das Laufen alleine lernen. Ich weiß, das ist sehr wahrscheinlich am schwersten zu erfüllen, aber es ist unglaublich wichtig! Dein Kind wird sich aufrichten und mit dem Gehen selbständig beginnen, sobald es in der Lage ist, sich allein auf seinen Beinen zu halten. Laufenlernen ist ein enormer Schritt für das gesamte System und braucht einfach Zeit und Übung. Wenn du dein Kind festhältst, dann nimmst du ihm also die Chance, seine Kraft und Bewegung selbständig zu trainieren. Dass die Kinder oft hinfallen ist von der Natur so vorgesehen. In den seltensten Fällen verletzen sich Kinder dabei ernsthaft (mehr dazu „Fallen ist ein kleines Muss!).

Ab und zu ist erlaubt: 
a. Wenn dein Kind sicher steht, strecke ihm die Hände entgegen. Nun kann es allein auf dich zu kommen. Der Abstand wird von Tag zu Tag größer. 

b. Oder, wenn Oma und Opa einfach nicht lockerlassen und endlich sehen wollen, was das Enkelkind schon kann: Nimm ein Kuscheltier an die Hand. Dein Kind nimmt die andere Seite des Kuscheltieres. Jetzt könnt ihr „zu dritt“ ein paar Schritte gehen. Diese wackelige Verbindung dient dazu, dass dein Kind sich nicht durch Dich stützt, sondern nur auf sich selbst. 

c. Nicht ganz unumstritten und leider häufig noch gern genutzt: Lauflernwagen! Experten empfehlen, sie erst gar nicht zu nutzen, denn diese Unterstützung von außen entspricht nicht dem inneren Masterplan. Zudem sind sie nicht ganz ungefährlich. (Mehr zu dem Thema Gehfrei & Co – Weniger ist mehr!” )

Deine Aufgabe ist mit die wichtigste: Sei geduldig, achte darauf, dass die Bahn frei ist und nichts „Gefährliches“ im Weg steht. Und wenn es doch einmal eine Beule geben sollte oder der Frust zu groß ist, dann tröste deinen kleinen Racker.



4 thoughts on ““Lauflern-Knigge” für Eltern”

  • Vielen Dank für die tollen Blog-Beiträge! Was ich bei diesem Beitrag nicht verstehe, ist die vehemente Forderung, das Kind niemals an den Händen zu führen. Unser Kind kann seit einigen Monaten mit Festhalten stehen und seit ein paar Wochen will es “laufen”: Wenn ich es von meinem Arm aus absetzen will, beugt es nicht die Beine, sondern streckt sie durch und geht dann einige wackelige Schritte, während ich es entweder unter den Achseln oder an den Armen halte. Es fordert es regelrecht ein! Ich habe noch nicht verstanden, warum und wofür das schlecht ist. Wenn Sie mir das begründen könnten, könnte ich es besser verstehen. Wie soll ich unser Kind dann dazubringen, die Beine zu beugen und sich hinzusetzen statt an unseren Händen langzulaufen?
    Vielen Dank vorab für Ihre Antwort!
    P.S. Bei Punkt b) sollte es “nimm” statt “nehme” heißen.

    • Liebe Janika,
      schön, dass Du zu meinem Blog gefunden hast!
      Ich gehe einmal davon aus, dass dein Kind gesund ist und zwischen 12 -18 Monaten alt ist. Kinder lernen im Durchschnitt mit 14-15 Monaten das freie selbständige Gehen. Normalerweise, machen sie das von ganz alleine, indem sie sich an Gegenständen hochziehen und sich daran entlang hangeln. Kinder, die einfach so hingestellt werden, in dem sie an den Händen gehalten werden oder den Achseln, ohne sich selbst aus dem Sitz hinauf gereckt/geklettert/gehangelt zu haben, sind noch nicht soweit selbständig zu gehen. Wir raten davon ab, Kinder passiv hinzustellen, weil der Körper in seiner Ganzheit (motorisch und kognitiv) erst dann soweit ist, wenn er es selbst kann. Wenn dein Kind also gesund ist, wird es sich aus dem Sitz selbständig in den Stand bringen und auch wieder zurück in den Sitz. Dass das Kind das erlernt, ist sehr entscheidend um die optimale Entwicklung des Laufens zu erarbeiten. Das aktive Eingreifen durch uns Erwachsene durchkreuzt die natürlichen Entwicklungspläne des Kindes und kann z.B. dazu führen, dass das Kind später Fehlstellungen der Füße, des Rückens oder Beckens entwickeln kann. Kinder, die durch uns Erwachsene zu stark durch Festhalten/Führen unterstützt werden, setzten oft zu viel oder zu wenig Kraft ein, um sich aufrecht zu erhalten und vorwärts zu bewegen. Es entsteht ein Missverhältnis, da die Sehen und Muskeln noch nicht bereit sind die Kräfte entsprechend aufzunehmen.
      Zudem ermöglicht das Sitzen und Liegen am Boden dem Kind sich selbständig zu beschäftigen, mit Dingen in seiner direkten Umgebung zu spielen. Wird das frühzeitig “genommen”, sind die Kinder meist überfordert und können später manchmal schlechter ins eigene Spiel finden. Das selbständige aus der eigenen Intuition heraus kommende Erlernen von Bewegung ist absolut wichtig für die gesamte Entwicklung des Kindes.
      Allerdings ist es so, wenn das Kind einmal das tolle Gefühl in Verbindung mit dem elterlichen Lob erfahren hat, will es immer wieder in den aufrechten Stand. Versuche Dein Kind beim Absetzen hinzulegen. Am besten auf den Bauch und in der Nähe eines Stuhls oder eine Kommode (oder ähnlichem schweren Möbelstück, das nicht so leicht kippt oder verschoben werden kann). Setze dich daneben und lass es sich ruhig auch an dir hochziehen (versuche nicht zu helfen). So fühlt es sich nicht allein gelassen. Ich hoffe, dies hilft dir weiter! Alles Gute Euch!
      Deine Kerstin

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